Thorsten Kramer: Berufsschulen bilden Back-Office-Kräfte künftig selber aus
Er kommt aus der Wirtschaft. War zuletzt Key Account Manager bei einem Energieversorger – und als solcher gewohnt, ein Backoffice zu haben. „Ich habe die Verhandlungen geführt. Die Verträge wurden im Hintergrund aufgesetzt“, sagt Thorsten Kramer, gelernter Industriekaufmann und studierter Diplom-Kaufmann. 2003 entschloss sich der gebürtige Hamelner, in den Berufsschuldienst zu wechseln. Nach dem Referendariat heuerte er 2005 bei der Berufsbildenden Schule des Landkreises Hameln-Pyrmont an, wo er heute als Oberstudienrat angehende Kaufleute unterrichtet. Angesichts der allgemeinen Arbeitsbelastung der Berufsbildner verbunden mit der chronischen Lehrkräfte-Unterversorgung der BBS, gebar er eine Idee, mit der er knapp ein Jahr schwanger ging und ganz viel Gehirnschmalz darein investierte: Der „Kaufmann im Schulwesen“ als neuen Ausbildungsberuf – implementiert in den Schulalltag, bei dem die BBS dann Ausbildungsbetrieb und Schule in einem wäre – der vom ersten Tag der Ausbildung als Back-Office-Kraft Entlastung bringt.
Fakt ist, knapp die Hälfte der regulären Arbeitszeit der Berufsbildner wird je nach Schulform durch Verwaltungsaufgaben aufgefressen, die absolut nichts mit dem eigentlichen Unterricht zu tun haben. Entlastet man die Lehrkräfte an dieser Stelle, werden personelle Ressourcen frei, die für die originären Aufgaben zur Verfügung stünden und damit der Lehrkräftemangel ein wenig entschärft werden könnte. Genau aus diesem Gedanken leitete Kramer seine lösungsorientierte wie pragmatische Idee für den neuen Ausbildungsberuf „Kaufmann im Schulwesen“ ab – und dachte an der Stelle gleich weiter, indem er den neuen Lehrberuf an die Curricula der „Kaufleute für Bürokommunikation“ andocken will. „Was problemlos möglich ist, wenn man das Ganze etwas offener angeht“, sagt Kramer, der damit deutliche Geschwindigkeit hin zur Entlastung der Lehrkräfte anstrebt. Denn der klassische Weg, um einen neuen Lehrberuf an den Start zu bringen, dauert erfahrungsgemäß Jahre.
Von den 132 berufsbildenden Schulen könnten 85 kaufmännische BBS ihre künftige Back-Office-Kraft selber ausbilden. Binnen vier Jahren wäre der Bedarf an „Kaufleuten im Schulwesen“ quasi aus eigener Kraft gedeckt. „Um auf der sicheren Seite zu sein, Fehl- und Urlaubszeiten kompensieren zu können, bräuchte jede BBS zwei zusätzliche ausgebildete Fachkräfte, die nach fünf Jahren zur Verfügung stünden. Danach könnten wir die Schulkaufleute auch für die übrigen Schulformen ausbilden und so dabei helfen, den Lehrermangel auch dort etwas zu entschärfen“, sagt Thorsten Kramer, der verbandlich aktiv ist und im Schulbezirkspersonalrat Hannover mitarbeitet,
Im Kern würde der „Kaufmann im Schulwesen“ das gesamte Versäumnis-, Einladungs- und Veranstaltungsmanagement verantworten und zentral steuern. Dazu zählen: Konferenzen, Praktika, Eltern-, Betriebssprechtage, Berufsberatung, Klassen- und Tagesfahrten, Tag der offenen Tür… „Die ganze Zettelwirtschaft rund um Entschuldigungen und Anwesenheitslisten, die bei jeder Schulstunde bis zu 20 Minuten abzwackt und nur nervt, wäre bei den Lehrkräften vom Tisch. Das würde deutlich Zeit freischaufeln, um verlässlich besseren Unterricht gewährleisten zu können. Als dualer Ausbildungspartner der Wirtschaft bilden wir die Fachkräfte von morgen für die Betriebe aus. Da ist es doch logisch, von der Wirtschaft zu lernen. Führungskräfte – und nichts anderes sind Lehrkräfte auch – verdameln ihre hochgeschätzte Arbeitskraft nicht mit bürokratischen Verwaltungsaufgaben. Das wäre ja auch betriebswirtschaftlicher Irrsinn“, sagt Thorsten Kramer.