Niedersachsens Verbände der berufsbildenden Schulen fordern 66 Millionen Euro pro Jahr für die personelle Verstärkung zur Sicherung der beruflichen Bildung
Der Lehrermangel gerade an berufsbildenden Schulen ist schon heute eklatant. Die Unterrichtsversorgung liegt seit den 1990er Jahren bei nur 90 Prozent. Angesichts der Vielzahl an zusätzlichen Aufgaben – von der Inklusion über Bildung für nachhaltige Entwicklung, dem Demokratieerlass, neue heterogene und förderungsbedürftige Schülerschaften, bis hin zur digitalen Transformation der beruflichen Bildung –, die über die Jahre auf die Berufsbildner übertragen wurden, ohne dass seitens der Politik personell kompensiert wurde, hat die schleichende Aufgabenerweiterung zu einer eklatanten Überbelastung geführt. Mit der Folge, dass die neuen Aufgaben nicht mehr adäquat ausgeführt werden können. Die berufliche Bildung in Niedersachsen kommt an einen Kipppunkt, an dem das Bildungssystem dysfunktional wird.
Deshalb fordern die Verbände der Lehrkräfte und Schulleitungen der berufsbildenden Schulen in Niedersachsen (BLVN, NDVB, SLVN, VLWN) mehr Zeit für die Leitungsaufgaben und die Schaffung von multiprofessionellen Teams.
Das ist die geeinte Forderung der Verbände, nach knapp einjähriger Beratung in einer Arbeitsgruppe im bildungspolitischen Umfeld auf Landesebene, um die personellen Ressourcen der berufsbildenden Schulen zukunftsfähig aufzustellen.
Als ein wesentliches Ergebnis hat die Arbeitsgruppe festgestellt, dass das Leitungspersonal an den Schulen für die Organisation der zahlreichen schulischen Prozesse zusätzliche zeitliche Ressourcen benötigt. Mit den derzeit sieben Anrechnungsstunden für die Abteilungsleitungen lässt sich deren Aufgabenfeld absolut nicht zufriedenstellend bewältigen.
Um konkret herauszuarbeiten, was zusätzlich nötig ist, um dem personellen Mehrbedarf jenseits des Unterrichts gerecht zu werden, hat die Arbeitsgruppe auch Aufgaben für multiprofessionelle Teams benannt.
Schulassistent:innen, Mitarbeiter:innen für digitale Transformation, Mitarbeiter:innen für Übungsfirmen, Verwaltungskräfte, die die Lehrkräfte bei den Verwaltungsaufgaben entlasten, wie auch Fachkräfte für Schulsozialarbeit und auch Mitarbeiter:innen für pädagogische Unterstützung zählen zu dem personellen Kanon, den die Verbände der berufsbildenden Schulen ausgemacht haben. Herausgekommen ist dabei ein 66-Millionen-Euro-Programm, das mit rund 25 Millionen Euro durch jährliche Rückflüsse von den BBSen selbst finanziert werden – Haushaltsmittelreste, die nicht genutzt wurden, weil offene Stellen in Ermangelung an Bewerber:innen nicht besetzt werden konnten. Detailliert aufgeschlüsselt, sieht der Bedarf wie folgt aus:
Bei der Schulassistenz, deren Aufgabenfeld an zeitgemäße Bedingungen angepasst werden muss, fehlen 15 Stellen. Der finanzielle Bedarf addiert sich hier pro Jahr auf knapp 800 000 Euro. Bei der Schulsozialarbeit liegt die Unterversorgung bei 83 zu besetzenden Stellen – macht rund 5,4 Millionen Euro. Bei pädagogisch Mitarbeitenden ist die Lage noch schwieriger. Dort gibt es bisher nicht eine besetzte Stelle. Also fehlen hier 128 Fachkräfte – werden die besetzt, kostet das rund 7,9 Millionen Euro. Nicht besser sieht es bei den pädagogisch Mitarbeitenden für die digitale Transformation aus: Null Stellen besetzt – Bedarf 128 Stellen, die bei Besetzung mit rund 9,5 Millionen Euro zu Buche schlagen. Bei Verwaltungskräften müssen 94 Stellen zusätzlich besetzt werden. Die Kosten liegen hier bei knapp 6,4 Millionen Euro.
Bei den Arbeits-, Gesundheits- und Datenschutzbeauftragten fehlen 124 Fachkräfte, deren Besoldung sich mit Einstellung auf rund 9 Millionen Euro beläuft. Ebenfalls 124 Stellen fehlen bei den leitenden MitarbeiterInnen in der digitalen Transformation, die mit rund 9 Millionen Euro zu Buche schlagen.
Ergänzt um die bisher vorhandenen Stellen, die aus haushaltsrechtlichen Vorgaben nicht wieder besetzt werden sollen – die aber dringend erhalten bleiben müssen, um die BBSen nicht zu schwächen – subsummiert sich der finanzielle Bedarf auf gut 66 Millionen Euro. Durch den Finanzierungsbeitrag in Höhe von 25 Millionen Euro, den die berufsbildenden Schulen leisten können, reduzieren sich die Mehrausgaben für das Land auf gerade mit 41 Millionen Euro pro Jahr. Geld, das dringend bereitgestellt werden muss, um die berufliche Bildung auf Zukunftskurs zu halten.
Die berufsbildenden Schulen in Niedersachsen benötigen dringend mehr Leitungszeit für das Leitungspersonal, multiprofessionelle Teams, bestehend aus nicht lehrendem Personal und zusätzlich leitende Mitarbeiter:innen für den Arbeits-, Gesundheits- und Datenschutzbereich. Nur so können sie den Herausforderungen der Zukunft begegnen und ein Versagen des Systems verhindern. Wer in Sonntagsreden die Bedeutung der berufsbildenden Schulen regelmäßig hervorhebt, muss sie auch befähigen, ihren Bildungsauftrag zu erfüllen.