NBB-Vorsitzender Alexander Zimbehl war in Potsdam dabei und blickt Richtung Herbst
Alle Räder stehen still, wenn der Fahrer es so will. Der Megastreik sorgte im bundesweiten ÖPNV zwar für Stillstand, bewegte aber bei den Verhandlungen in Potsdam auch nichts. Völlig übermüdet nach einer durchgestrittenen Nacht gingen die Verhandlungsführer nach der dritten und finalen Verhandlungsrunde ergebnislos auseinander. Zwar hatte die Arbeitgeberseite sich bewegt, zuletzt 8 Prozent mehr Gehalt geboten. Auch bei der sehr unterschiedlich diskutierten Vertragslaufzeit hätte es noch Annäherungen geben können, die beide Seiten akzeptiert hätten. Und das „Einmal-Bonbon“ von 3000 Euro wirkte verlockend. Allerdings nicht verlockend genug, um sich von den geforderten mindestens 500 Euro mehr pro Monat zu verabschieden und die gebotenen 200 Euro mehr zu akzeptieren. Jetzt wird geschlichtet.
Wir haben den NBB-Landesvorsitzenden Alexander Zimbehl gefragt, was das für den zu erwartenden heißen Herbst in Niedersachsen heißt, wenn die Tarifverhandlungen für die Landesbediensteten anstehen.
Stefan Schlutter: Hallo Alexander, Du warst in Potsdam dabei. Welche Lehre lässt sich aus den dortigen Verhandlungen für den Herbst ziehen?
Alexander Zimbehl: Das ist im Moment schwer abzusehen, da es sich natürlich grundsätzlich um völlig unterschiedliche Tarifverhandlungen – insbesondere auch auf der Arbeitgeberseite – um andere Vertragspartner handelt. Eines scheint sich aber abzuzeichnen: Die Verhandlungen könnten sich ähnlich schwierig gestalten, wenn auch auf Seite der Länder eine ähnliche Verweigerungshaltung an den Tag gelegt wird, wie wir es jetzt in den drei Verhandlungsrunden auf kommunaler Ebene, beziehungsweise zu teilen auch auf Bundesebene, erlebt haben.
Wir haben auf unserer Seite in den vergangenen Wochen gleichzeitig durch sehr intensive und beachtenswerte Aktionen gezeigt, dass unsere Kolleginnen und Kollegen mit den angebotenen Zukunftsperspektiven nicht zufrieden sind und gleichzeitig die Bedeutung des gesamten öffentlichen Dienstes hervorgehoben.
Dies hat auf der Arbeitgeberseite nach unserer Bewertung zumindest für Eindruck gesorgt. Eine der Lehren, die aus dem bisherigen Ablauf der Tarifverhandlungen des TVöD zu ziehen ist, dürfte daher lauten, dass wir auch weiterhin und auch im Herbst unsere Interessen und Forderungen klar deutlich machen müssen.
Stefan Schlutter: Der Bund verbucht in diesem Jahr Rekordsteuereinnahmen von einer Billion Euro – auch wegen der Inflation und der damit gestiegenen Mehrwertsteuereinnahmen. Während die Industrie und der Mittelstand jetzt entlastet werden sollen, schauen die Kolleginnen und Kollegen in die Röhre. Läuft hier nicht politisch grundsätzlich etwas falsch?
Alexander Zimbehl: Grundsätzlich kann man das so sehen, zumal die Bedeutung der Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes für ein funktionierendes Staatssystem und die damit verbundene Daseinsvorsorge für die Bevölkerung offensichtlich noch nicht bei jedem Haushaltspolitiker angekommen ist. Wenn wir uns jetzt an den personellen und infrastrukturellen Bezügen der Zukunft vergehen, werden wir die Auswirkungen in den kommenden Jahren und Jahrzehnten noch deutlicher zu spüren bekommen. Ob Pflegenotstand, Bildungsnotstand oder eine eingeschränkt arbeitsfähige allgemeine Verwaltung – all dies sind hausgemachte Probleme und könnten durch die Tarifrunden in diesem Jahr, auch in Hinblick auf den eklatanten Personalmangel, behoben werden. Man muss dies nur verstehen und vor allen Dingen wollen.
Stefan Schlutter: Ein Lohnplus von geforderten 10,5 Prozent spiegelt den Status Quo im März wider. Zwar ist die Inflation ganz leicht rückläufig. Dafür steigen die Mieten munter weiter – und damit auch die Lebenshaltungskosten. Reichen da 10,5 Prozent mehr im September eigentlich noch? Oder muss die Forderung angepasst und angehoben werden?
Alexander Zimbehl: Das werden wir zu beobachten haben und alle gemeinsam auch in Hinblick auf unsere Forderungsfindung bewerten. Derzeit ist die Lage und vor allem die weitere Entwicklung schwer vorhersehbar. Es steht mir auch nicht zu, diesen Überlegungen schon jetzt vorzugreifen oder eine Forderung für die Länderrunde zu prognostizieren. Eines ist aber sicher: Die Probleme der Landesbeschäftigten und damit auch der Beamtinnen und Beamten des Landes sind mit denen der Beschäftigten aus Bund und Kommune sicher in vielen Bereichen gut vergleichbar. Aus diesem Grunde sollten wir jetzt zunächst den weiteren Verlauf der Schlichtung und eines möglichen Ergebnisses abwarten und im Anschluss zu einer guten Entscheidung hinsichtlich der Foderung für den Tarifbereich der Länder kommen.