(Berufliche) Bildung nach Corona-Krise zukunftssicher aufstellen

VLWN fordert im Kanon mit niedersächsischen Lehrerverbänden umfassendes Investitionsprogramm

Nach der Rückkehr in den Präsenzunterricht sehen die niedersächsischen Bildungsverbände nach wie vor gewaltigen Nachholbedarf, um die Schulen zukunfts- und pandemiesicher aufzustellen sowie die sozialen und fachlichen Defizite in Folge monatelanger Schulschließungen auszugleichen. In einer gemeinschaftlichen Pressekonferenz forderten die fünf im Niedersächsischen Beamtenbund (NBB) organisierten Lehrerverb nde (phvn, VBE, VNL, BLVN und der VLWN) ein umfassendes Investitionsprogramm, um desolate Schulen zu sanieren, die Digitalisierung voranzutreiben und dringend notwendiges Fachpersonal von der Lehrkraft über Sozialarbeiter bis hin zu Schulpsychologen als multiprofessionelle Teams einzustellen. Damit postulierten sie zugleich einen Themenkatalog des jahrzehntelangen Versagens der Politik. Denn eklatanter Lehrermangel, kaputtgesparte Schulen und mangelnde Digitalisierung sind hinlänglich bekannt und bedrohen seit Jahren gute Bildung. „Das betrifft alle Schulformen. Die Untätigkeit erschreckt und zeigt, welchen Stellenwert Bildung in Deutschland bei gemessen wird“, sagte Joachim Mai , VLWN-Vorsitzender im Gleichklang mit seinen Verbandskollegen.

Fakt ist: Alleine in Niedersachsen liegt die Unterrichtsversorgung seit 2002 je nach Schulform konstant zwischen 90 und 99 Prozent und damit deutlich unter Soll. Derweil hat die Aufgabendichte, die Lehrkräften aufgelastet wird, deutlich zugenommen und die Belastungsgrenze ist längst überschritten. Seit Jahren fehlen 2500 Lehrer, 800 davon in der beruflichen Bildung. Und das Delta wächst angesichts der zunehmenden Pensionierungswelle. Mit Verweis auf die leeren Kassen, hat Finanzminister Reinhold Hilbers gerade erst ein eisernes Sparprogramm angekündigt und klar gemacht, dass Personal eher abgebaut denn aufgestockt wird. Wodurch das System Schule weiter an die Wand gefahren wird. Dabei hat Corona wie unter einem Brennglas die Defizite noch einmal deutlich sichtbar gemacht und den Handlungsdruck verschärft.

„Um Präsenzunterricht im kommenden Schuljahr m glichst flächendeckend gewährleisten zu können, müssen die Sommermonate genutzt werden, um die Schulen zu einem sicheren Ort zu machen. Dazu zählen auch Luftreiniger, CO2-Messgeräte und Trennwände als Spuckschutz, die in jedem Klassenraum nachgerüstet werden müssen. Nur so hat man die größtm gliche Sicherheit, um der nächst m glichen „Welle“ etwas entgegensetzten zu können“, sagte Joachim Mai , der ansonsten bei der Themenverteilung des Verbands-Quintetts die Digitalisierung und den Datenschutz fokussierte.

„Deutschland ist nach wie vor ein digitales Entwicklungsland. Corona hat den Entwicklungsprozess zwar erzwungenermaßen dynamisiert und für einen echten Schub gesorgt, aber gleichzeitig auch die eklatanten Schwächen des Systems offenbart und damit wie unter einem Brennglas gezeigt, wo wir trotz des milliardenschweren Digitalpakets des Bundes und weiterer Förderprogramme zur Anschaffung von digitalen Endgeräten für Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler in der beruflichen Bildung stehen. Auch nach einem Jahr Pandemie und dem Erkenntnisgewinn, die Digitalisierung ganzheitlich vorantreiben zu müssen, gibt es bis heute keine Vision für eine digitale Schule, ja nicht mal einen groben Fahrplan, sondern viel Aktionismus und getriebenes Handeln.

PK: Konzertierter Weckruf zur Bildungspolitik in NDS

Im letzten Jahr haben Lehrkräfte in Ermangelung von digitalen Lerninhalten „Learning by doing“ betrieben, haben eigeninitiativ Angebote kreiert, haben sich über Youtube-Videos notwendiges Anwenderwissen angeeignet und viel Zeit investiert. „Das war gut, weil damit der Distanzunterricht auf zunehmend höheren Niveau stattfinden konnte. Völlig unklar hingegen war, was die Lehrkräfte können sollen und wollen, weil Technik und Didaktik nicht zusammengeführt waren. Deshalb braucht es für ein schlüssiges Gesamt-Konzept für eine abgestimmte E-Fachdidaktik, für E-Kompetenzzentren als Experimentierlabore und für E-Professuren. Das ist der zentrale Unterbau, auf dem die Digitalisierung der beruflichen Bildung ruhen muss, um klare Standards zu definieren. Eine E-Didaktik beschäftigt sich mit der Auswahl, Gestaltung und dem Einsatz digitaler Medien im Lehr- und Lernprozess, um diesen gewinnbringend zu unterstützen. Technik und Didaktik ergänzen sich sinnvoll in E-Learning-Arrangements“, sagte Maiß.

Wenn Datenschutz über allem stehe und den so wichtigen Pragmatismus vollends ausbremse, sei das eine Katastrophe. „Während der Corona-Krise drohten Datenschützer Lehrkräfte anzuzeigen, weil sie im Dialog mit den Schülerinnen und Schülern auf Software-L sungen zurückgriffen, die verfügbar waren, aber nicht den höchsten Segen der Wächter hatte. Niemand wusste in dieser Zeit, was er darf, was er alternativ braucht und woher im Bedarfsfall eine datenschutzkonforme Alternative hergezaubert werden sollte“, sagte Maiß.

Fakt ist: Berufsschulen brauchen datenschutzsichere Software auf Industriestandard und müssen sich dabei an den Standards der Unternehmen orientieren. Als dualer Ausbildungspartner der Betriebe muss im Unterrichtsalltag die Software genutzt werden, die bei den Betrieben im Einsatz ist. Hierzu gehören Lösungen wie z. B. DATEV, SAP, Office365, Adobe CC, CAD-Software oder Steuerungssoftware für industrielle Anlagen.

„In einigen Bundesländern gibt es Bestrebungen, ab dem kommenden Schuljahr an Schulen den Einsatz von Office365 zu verbieten. Das muss verhindert werden, um das so wichtige kollaborierte Lernen auch weiterhin zu befeuern und die sanften Anfänge der Digitalisierung der beruflichen Bildung, denn mehr ist es bisher nicht, nicht gleich wieder auszubremsen“, sagte Maiß.

Diesen Beitrag teilen

Email
Drucken
Facebook
Twitter

Letzte Beiträge

Skip to content