VLWN-Senioren: Fortbildung zum Thema „Pflegeversicherung in Deutschland“
Der Pflegenotstand in Deutschland ist eklatant. Und das nicht erst seit gestern. Bis 2030 fehlen rund 500 000 zusätzliche Pflegekräfte im System. Zeitgleich explodieren die Pflegekosten – und mit ihnen der zu leistende Eigenanteil für die Heimunterbringung. Weil das alles lange vorhersehbar war, hat die Politik bereits 1995 die Pflegeversicherung ins Leben gerufen. „Damals reichte der gewährte monatliche Beitrag zur Finanzierung der Pflegekosten. Bereits ein Jahr später war das schon nicht mehr so. Und die Spirale dreht sich immer schneller. Lag der Eigenanteil 2019 im Bundesdurchschnitt noch bei 1927 Euro, waren es 2023 bereits 2500 Euro“, sagte Jan Oliver Krzywandek, Geschäftsbereichsleiter Arbeit, Soziales, Wirtschaft, Frauen, Jugend und Senioren beim dbb in Berlin, der auf Einladung der VLWN-Senioren als Referent vor vollem Haus im Plaza-Hotel in Hannover Mitte März vertiefend die „Pflegeversicherung in Deutschland“ erklärte und handfeste Tipps gab.
Die Gründe, warum das System kollabiert, sind hinlänglich bekannt. Der demografische Wandel ist hier ebenso Treiber wie die medizinisch-technische Entwicklung zu immer besseren Verfahren und der Rückgang der Fachkräfte. Gleichzeitig ist Pflege ein Riesengeschäft mit einer starken Lobby. In Deutschland gibt es 14 700 Pflegedienste sowie 15 400 Pflegeheime. Die Zahl der Pflegebedürftigen betrug 2013 rund 2,6 Millionen, von denen 70 Prozent zu Hause versorgt wurden. 2019 gab es bereits 4,1 Millionen Pflegebedürftige, von denen 80 Prozent in den eigenen vier Wänden betreut wurden – 3,2 Millionen davon von Angehörigen, die die größte Stütze in der Pflege sind. Und: Die Pflegebedürftigen werden immer älter. Gab es 1999 gerade einmal 299 000 pflegebedürftige Senioren und Seniorinnen, die 90 Jahre und älter waren, steigt deren prognostizierte Zahl bis 2060 auf 1 795 000 an.
Die Pflegeversicherung ist zweigleisig ausgeprägt. Es gibt die Pflegesachleistungen, die zur Bezahlung professioneller Pflegedienste gewährt wird, die mit der Pflegekasse abrechnen. Alternativ gibt es das Pflegegeld, das direkt an den Pflegebedürftigen ausgezahlt wird. Wird ein Pflegebedürftiger mit mindestens Pflegegrad 2 zuhause von Angehörigen oder Freunden gepflegt, so gewähren gesetzliche und private Pflegekassen Anspruch auf Pflegegeld.
Pflegegrad bestimmt über
gewährte Beiträge
Die Höhe der gewährten Beiträge ist vom jeweiligen Pflegegrad abhängig, der von I bis V gestaffelt ist. Wobei der Pflegegrad I in beiden Fällen mit einem Entlastungsbetrag von 125 Euro im Monat gedeckelt ist. „Wenn die Pflegesachleistungen nicht voll ausgeschöpft werden, können sich pflegende Angehörige bis zu 40 Euro des Restbetrags auszahlen lassen, um den Alltag besser zu meistern“, sagte Jan Oliver Krzywandek.
Zum 1. Januar 2024 ist das neue Pflegeunterstützungs- und Entlastungsgesetz in Kraft getreten, das sowohl bei den Sachleistungen als auch beim Pflegegeld eine Erhöhung von jeweils 5 Prozent bescherte. Demnach stehen einem Menschen mit dem Pflegegrad V, die von einem professionellen Pflegedienst im häuslichen Umfeld betreut wird, 2200 Euro monatlich zu. Beim Pflegegeld ist der Beitrag von 901 auf 947 Euro angestiegen.
Daneben gibt es die Verhinderungspflege. Deren Leistungen richten sich an pflegende Angehörige, die aus gesundheitlichen Gründen oder mal auf Urlaub fahren und deshalb ausfallen. Bis maximal 1612 Euro pro Jahr können hier in Anspruch genommen werden, um damit maximal sechs Wochen eine Ersatzpflegekraft bezahlen zu können. Springen nahe Verwandte ein, reduziert sich der Betrag auf 498 Euro beim Pflegegrad II beziehungsweise ansteigend auf bis zu 947 Euro beim Pflegegrad V.
„Und weil das alles noch nicht kompliziert genug ist, wird bei einer tageweisen Vertretung, die länger als acht Stunden einspringt, das Pflegegeld um 50 Prozent reduziert. Wohingegen bei stundenweiser Vertretung das Pflegegeld ungekürzt bleibt. Denn als Berechnungsgrundlage zählt nicht die Dauer der Vertretungspflege, sondern die Abwesenheit der ursprünglichen Pflegeperson. Daher ist es ratsam, immer das stundenweise Modell zu wählen“, sagte Krzywandek.
Kurzzeitpflege ist auf acht
Wochen limitiert
Wenn eine zu pflegende Person zeitweise besonders intensive Pflege benötigt, sieht der Gesetzgeber die Möglichkeit einer bezuschussten Kurzzeitpflege in einer stationären Einrichtung vor. Die Kurzzeitpflege ist auf acht Wochen im Jahr limitiert. Der Maximalbetrag, der geleistet wird, beträgt 1774 Euro pro Jahr. „Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege lassen sich kombinieren, um längere Aufenthalte zu finanzieren oder aber den zu leistenden Eigenanteil zu begrenzen“, sagte Krzywandek und betonte: „30 Prozent aller Pflegeleistungen werden nicht abgerufen, weil die Antragsstellung zu kompliziert und schwierig ist. Hier treibt der Bürokratismus Stilblüten.“
Bei der teilstationären Pflege, die Tages- und Nachtpflege beinhaltet und im Volksmund auch schon mal „KiTa für Pflegebedürftige“ benannt wird, springt die Pflegekasse mit 689 Euro (Pflegegrad II) bis zu 1995 Euro (Pflegegrad V) ein. Die Tagespflege ist ein Angebot, bei dem pflegebedürftige Menschen tagsüber betreut werden und die Nacht zu Hause verbringen. In Einrichtungen der Nachtpflege wiederum werden Menschen die Nacht über betreut – wenn sie etwa Medikamentengaben brauchen oder einen gestörten Schlaf-Wach-Rhythmus haben – damit die pflegenden Angehörigen entlastet werden. Der Mangel an Pflegeplätzen erschwert es, hier ein passendes Angebot zu finden.
Für Pflegehilfsmittel wie Desinfektionsmittel, Unterlagen… gewährt die Pflegekasse maximal 40 Euro im Monat. Technische Hilfsmittel wie ein Wannenlifter oder ein Pflegebett sind im Regelfall Leihgaben. Für pflegebedingte Umbauten wie eine Treppenlifter werden je Maßnahme 4000 Euro gewährt. Und für digitale Pflegeanwendungen und Unterstützungsangebote werden maximal 50 Euro pro Monat gewährt. „Wobei ich keine wirkliche Vorstellung habe, was damit gemeint ist“, sagte Krzywandek.
Pflegeunterstützungsgeld –
Ausgleich für Lohnkürzungen
Und dann ist das noch das Pflegeunterstützungsgeld, das Angehörige, die sich plötzlich um einen akuten Pflegefall in der Familie kümmern müssen, entlasten soll. Die Pflegekasse zahlt als Ausgleich für Lohnkürzungen im Falle eines Falles 90 Prozent des ausgefallenen Nettolohnes für maximal zehn Tage. Das Pflegeunterstützungsgeld kann auf mehrere Personen aufgeteilt werden.