Her mit der Bildungswende

VLWN d‘accord mit OECD-Studie: Die berufliche Bildung muss gestärkt werden

 

Wirtschaft und Handwerk schlagen Alarm: Zum offiziellen Start ins Ausbildungsjahr am 1. August waren bundesweit noch knapp 230 000 Stellen, davon in Niedersachsen alleine gut 23 000 Stellen, unbesetzt. Ende August sank die gemeldete Zahl auf 16.442 offene Stellen, während zeitgleich noch 8702 Jugendliche unversorgt waren. Vor allem in den Handwerksbetrieben fehlen nicht nur die Fach- und Führungskräfte von morgen, sondern vielmehr auch qualifizierter Nachwuchs, für die tausendfach anstehenden Betriebsübernahmen. Ein elementarer Aspekt ist die zunehmende Akademisierung bei gleichzeitig sinkender Wertschätzung der beruflichen Bildung. Das spiegelt auch die aktuelle OECD-Studie „Bildung auf einen Blick 2023“ wider, die Mitte September erschienen ist und eine Kernbotschaft beinhaltet: Berufliche Bildung stärken!

„Um dem anhaltenden Trend nachhaltig gegenzusteuern, brauchen wir eine Bildungswende. Die berufliche Bildung muss zwingend attraktiver werden. Dafür muss die Gleichwertigkeit der beruflichen und der akademischen Bildung gesichert sein. Davon sind wir noch weit entfernt. Was die Situation am Ausbildungsmarkt weiter verschärfen wird“, sagt Joachim Maiß, Landesvorsitzender des Verbandes der Lehrerinnen und Lehrer an Wirtschaftsschulen in Niedersachsen (VLWN) und betont: „Parallel dazu müssen mehr innovative wie attraktive Angebote in der beruflichen Bildung geschaffen werden, die durch die Verzahnung von akademischen und beruflichen Komponenten eine Alternative zum reinen Studium sind. Denn die Bildungspolarisierung schreitet rasant voran.“

Positive Beispiele für eine wertigere, weil höhere berufliche Bildung, gibt es gleich mehrfach. Da ist das Kooperationsmodell zwischen Wirtschaftsfachschulen und der Fachhochschule des Mittelstands (FHM), bei dem BBS und FH ihre Ausbildungsinhalte verzahnen, so dass am Ende ein Bachelor-of-Arts-Abschluss steht. Oder auch das Hamburger Modell, bei dem neue berufliche Bildungswege beschritten wurden, um die duale Ausbildung der akademischen Bildung gleichzusetzen. „Wir müssen Schule einfach neu denken. Der politische Wille, den Weg dafür freizumachen, ist fraktionsübergreifend da. Jetzt muss die Politik nur noch ins Handeln kommen“, sagt Maiß.

Fakt ist: Immer weniger junge Erwachsene in Deutschland haben eine klassische Berufsausbildung. Der Anteil der 25- bis 34-Jährigen, die einen beruflichen Abschluss vorweisen können, ist zwischen 2015 und 2022 von 51 auf 38 Prozent zurückgegangen. Der Rückgang von 13 Prozentpunkten ist der größte unter allen OECD-Ländern und liegt deutlich über dem durchschnittlichen Rückgang von zwei Prozentpunkten. Der Anteil derjenigen, die maximal einen mittleren Schulabschluss hatten, aber keine weitere Qualifikation wie Abitur oder eine Ausbildung, erhöhte sich von 13 auf 16 Prozent. In der Summe ist das eine dramatische Entwicklung, die den Fachkräftemangel immer weiter verschärft.

Gleichzeitig streben immer mehr der 25- bis 34-Jährigen höhere Abschlüsse wie ein Studium an. 2015 hatten 30 Prozent aus dieser Gruppe einen Hochschul- oder ähnlichen Abschluss, 2022 waren es bereits 37,5 Prozent. Seit Jahrzehnten stehen Akademiker höher im Kurs als Handwerker.

„Solange die berufliche Bildung als zweitklassig empfunden wird, damit ein echtes Imageproblem einher geht und infolge dessen schon am Küchentisch den Kindern eingebläut wird, mach bloß erst einmal Abitur und dann studiere, dann geht es dir mal besser als uns, bleibt es schwierig. In der Vergangenheit hat sich dies indes in vielen Berufskarrieren nicht bewahrheitet. Ganz zu schweigen von den vielen Studienabbrechern und gescheiterten Existenzen. Ja, Handwerk hatte schon immer goldenen Boden – das gilt angesichts des existenzbedrohenden Fachkräftemangels in diesen Berufsfeldern heute mehr denn je, da ein Facharbeiter mitunter mehr verdienen kann als ein Ingenieur“, sagt Maiß und betont: „Hier sind wir als Gesellschaft gefordert, ein Umdenken herbeizuführen. Gleichsam ist die Politik gefordert, die nötigen Rahmenbedingungen zu schaffen und berufliche Bildung zukunftsfähig aufzustellen.

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