1+1 = „Innovation zulassen“

Im Dialog mit der Politik: Patrick Geiser und Lara Wahrhausen interviewen Christian Fühner (CDU) und Kirsikka Lansmann (SPD) beim VLWN-Talk auf der „mobile.Schule Tagung“

 

Freiräume schaffen, Netzwerke bilden, Gelder bereitstellen und das nötige Personal rekrutieren. Was sich wie ein Forderungskatalog des VLWN liest, um die berufliche Bildung zukunftsfähig aufzustellen, war das zusammengefasste Commitment einer einstündigen Podiumsdiskussion mit dem bildungspolitischen Sprecher der CDU, Christian Fühner, und der stellvertretenden bildungspolitischen Sprecherin der SPD, Kirsikka Lansmann. Dr. Patrick Geiser und Lara Wahrhausen interviewten die beiden Landtagsabgeordneten beim VLWN-Talk auf großer Bühne bei dem gut besuchten Fortbildungs- und Netzwerkevent „mobile.Schule Tagung“ im HCC Hannover Anfang September lustvoll wie sachkundig zum Thema „Zukunft Schule – individuelle Potentiale durch Digitalisierung schöpfen“. Dabei warfen sie sich die Bälle unterhaltsam immer wieder zu.

Ursprünglich angedacht war, dass sich Joachim Maiß via Microsoft-Teams aus der Türkei zuschaltet und aktiv mitdiskutiert. Nach einem anfänglichen Versuch beließ es der VLWN-Vorsitzende aufgrund eines signalschwachen WLANS in der Veranstaltungshalle dabei, als stiller Zuhörer zu lauschen. Sein Kommentar am Ende des Slots: „Großes Kompliment. Das war super. Auch ohne mich“.

Zentraler Aspekt bei der Diskussion war: Freiräume im schulischen System schaffen, um personalisiertes und eigenverantwortliches Lernen unter Einsatz von digitalen Austauschplattformen zu ermöglichen, worüber man Zugriff auf alle denkbaren Apps hat – Digitalisierung eben weitergedacht. Ein weiterer Aspekt in diesem Kontext ist die notwendige Konnektivität der unterschiedlichen Lernplattformen an den Schulen, mit denen die Kolleginnen und Kollegen operieren (müssen) und beim Schulwechsel vor Problemen stehen. Hier eine Kurzform des Interviews, das in der nächster Ausgabe der „VLWN-Informationen in voller Länge erscheint.

Dr. Patrick Geiger: „Was kann unternommen werden, damit wir mehr Future Skills, die vom WEF oder IAB schon seit längerem benannt werden, lehren können?“

Christian Fühner: „Die Politik gibt hier schon klare Impulse. Doch am Ende sind es die Schulen, die die Vorgaben und Erlasse umsetzen müssen, die wir im Landtag beschließen. Damit dies gelingt, brauchen die Schulen deutlich mehr Freiräume als bisher. Hier sind wir als Politik gefordert, damit die vorhandenen Kompetenzen und Umsetzungsmöglichkeiten, die Schule birgt, wirken können.“
Kirsikka Lansmann: „Ja, dem kann ich zustimmen. Freiräume sind sehr wichtig. Aber damit man im Unterricht digital agieren kann, brauchen wir auch die entsprechende technische Ausstattung. Da ist durch Corona ein großer Schub gekommen. Doch wenn man in vielen Schulen schaut, müssen wir hier noch deutlich besser werden, um die Potenziale der Digitalisierung zu heben. Wir haben mit der niedersächsischen Bildungscloud ein Medium, das ganz tolle Tools beinhaltet. Wenn aber die Hardware fehlt, kann man natürlich nicht damit arbeiten. Mit dem Tablet alleine ist hier niemandem geholfen, Lern- und Lehrinhalte müssen auf die digitalen Herausforderungen zu Zukunft abgestimmt sein, Medienkompetenz und personelle Ressourcen vorhanden sein.“

Dr. Patrick Geiger: „Zum Thema Personal habe ich eine kleine Nachfrage. Ein Beispiel: Wir haben im Bereich Wirtschaftspädagogik drei Standorte. Berufsbildende Lehrkräfte brauchen wir in den Fächern Wirtschaft und Informatik dringend. Heißt, wir brauchen Personen, die das studieren und die auch den entsprechenden Abschluss mitbringen, um unsere Studienseminare zu füllen. Wie kriegen wir das denn künftig hin und was können Sie dazu beitragen?“

Kirsikka Lansmann: „Teilweise sind die Studiengänge nicht voll ausgelastet. Um hier gegenzusteuern, müssen wir die Attraktivität des Lehrerberufs steigern. Gleichsam müssen Studium und Referendariat modernisiert werden – gerade, was die Praxisanteile betrifft. Hier sind Kultus- und Wissenschaftsministerium bereits im Gespräch miteinander, damit das Studium praxisorientierter aufgestellt werden kann. Das steigert die Attraktivität.“

Christian Fühner: „Um das in und für Niedersachsen zu regeln, würde ich an allererster Stelle sagen, dass man dort, wo man Wirtschaftswissenschaften studieren kann, den Studiengang nicht auch noch abschafft. Es ist ein fatales Signal, dass an der Uni in Lüneburg der Studiengang Wirtschaftswissenschaften auslaufen soll – mit der Folge, dass es im Raum Lüneburg dann entsprechend weniger Lehrkräfte geben wird. Wenn wir anfangen wollen, mehr Lehrer zu gewinnen, muss der Job attraktiv sein. Dafür müssen die Rahmenbedingungen stimmen. Aber auch das Studium ist dringend überarbeitungswürdig. Ich werbe dafür, dass Politik die nötigen Eckpfeiler einzieht, Bürokratie abbaut und auch bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse und den Möglichkeiten für Quereinsteiger besser wird.“

Lara Wahrhausen: „Zwei bekannte Professoren der WiPäd beschreiben die aktuelle berufliche Bildung mit „One-size fits all“ und stellen damit die Notwendigkeit einer Veränderung in den Raum. Bleibt Schule klassisch, obwohl zu erlernende Kompetenzen wie die Fähigkeit lebenslang lernen zu können sehr individuell sind?“

Christian Fühner: „Ich glaube, dass man in Schule einiges verändern kann und muss. Wenn wir mal bei dem Thema Digitalisierung bleiben, kann ich nur sagen, wenn im Bund jemand meint, den Digitalpakt nicht verlängern und ab 2024 keine Gelder mehr bereitstellen zu müssen, wird dieser Veränderungsprozess deutlich gehemmt. Das wäre schon fatal, weil die Fortschritte, die in der Coronazeit gerade im Digitalen Einzug fanden, dann abebben. Um alle Schulen mit einer Gigabit-Leitung auszustatten, E-Didaktik aufzusetzen und Lehrkräfte entsprechend fortzubilden, brauchen wir zukünftig deutlich mehr Geld.“

Dr. Patrick Geiser: „Nicht nur Schüler wechseln mal die Schule. Es gibt auch Fälle, dass Lehrkräfte die Schule wechseln – über Kreis- und Landesgrenzen hinweg. Wenn wir von Schule A nach Schule B schauen, müssen wir leider auch feststellen, dass die Medienwelt eine ganz andere ist. Wie kriegen wir das denn hin, dass die digitalen Lösungen, die unsere Kolleginnen und Kollegen sich erarbeitet haben, auch an Schule B funktionieren?“

Christian Fühner: „Die Lösung wäre ja einfach, wenn wir eine einheitliche Plattform hätten. Davon kann ich nur abraten, weil ich nicht glaube, dass wir das von heute auf morgen in den Schulen umsetzen können. Wenn man sich die Schullandschaft anschaut, haben wir eben eine riesige Bandbreite von Schulen, die bereits ganz weit sind bis hin zu Schulen, die den Prozess erst gestartet haben. Und jetzt hinzugehen und die niedersächsische Bildungscloud, die es ja gibt, als einheitliches Format vorzugeben, die Schulen ausschließlich arbeiten dürfen, nur damit es überall gleich ist und man, egal in welcher Schule, überall die gleiche Plattform hat, fände ich fatal und wäre auch strikt dagegen.“

Kirsikka Lansmann: „Als kleine Ergänzung dazu: Das digitale Leben ist ja so schnelllebig. Wenn wir jetzt sagen, wir haben nur diese eine staatliche Plattform, dann bremsen wir wohlmöglich die Entwicklung aus. Was heute Up-to-date ist, kann morgen schon veraltet sein. Hier müssen wir flexibel bleiben.“

Lara Wahrhausen: „Wie kann die Verknüpfung von Uni und Schule vor dem Hintergrund der Digitalisierung erleichtert werden, damit daraus Kooperation erwachsen?“

Christian Fühner: „Wir können nicht von heute auf morgen das gesamte Lehramtsstudium umwerfen und das, was bis dato gelebt wurde, schmeißen wir raus. Was wäre, wenn für die, für die es attraktiv ist, ein duales Studium anbieten? Die Möglichkeit, während des Studiums schon zu unterrichten und Geld zu verdienen, also dual zu studieren, ist attraktiv. Darüber müssen wir reden, ohne dass es zu Lasten der Ausbildungsqualität geht. Aber ich denke schon, dass wir das hinbekommen, wenn wir uns die Systematik in den Unis anschauen, dass wir, wenn wir die Praktikumszeiten mal reinrechnen und Seminare in den Praxisblock verlegen, dann wäre das schon machbar, dass als Modell mit Vergütung in Niedersachsen mal auszuprobieren.“

Kirsikka Lansmann: „Ich habe ja eingangs schon gesagt, dass Kultusministerium und Wissenschaftsministerium sich genau auch über solche Themen austauschen. Wir werden dann sehen, wohin es geht. Ich bin grundsätzlich recht offen für Neues. Ich habe meinen Wahlkreis im ländlichen Raum. Wir wären froh, wenn wir eine Unterrichtsversorgung von 96 Prozent hätten. Wir haben keine Studienseminare in der Nähe, auch keine Universität. Man müsste sehen, ob ein duales Studium die Klebeeffekte an den Unis etwas lösen kann und darüber den ländlichen Raum mehr mit einbeziehen kann.“

Ganz am Ende der Veranstaltung haben Patrick Geiser und Lara Wahrhausen beide Politiker darum gebeten, in einem Wort die Zukunft der beruflichen Schule zu fassen. Kirsikka Lansmann sagte: „Innovation“, Christian Fühner „zulassen“.

Als Klammer der Podiumsdiskussion lässt sich daraus „Innovation zulassen“ formen. Ein Claim, der gerade für die berufliche Bildung eine Steilvorlage bietet, um die vorhandenen Potenziale zukunftsweisend zu bündeln und der Digitalisierung weiter Vorschub zu leisten.

 

 

Diesen Beitrag teilen

Email
Drucken
Facebook
Twitter

Letzte Beiträge

VLWN klar gegen Rechts!

Eine Mitgliedschaft im VLWN ist unvereinbar mit einer Mitgliedschaft in der AfD und anderen rechtsextremen Gruppierungen. Wir stehen jeden Tag dafür ein, dass die freiheitlich

Weiterlesen »
Skip to content