Immer mehr Abiturienten streben eine duale Ausbildung an

Auf Forsa-Umfrage folgt: Bildungssystem reformieren und höhere berufliche Bildung etablieren

Die Attraktivität der dualen Ausbildung und die Zahl der Ausbildungsplätze nehmen wieder zu. Das zumindest spiegeln die aktuellen Arbeitsmarktzahlen wider. Bei den gewerblichen Ausbildungsberufen gibt es einen Zuwachs von 8 Prozent, bei den kaufmännischen einen Zuwachs von 4,7 Prozent in Niedersachsen – ein Anstieg von 19 840 auf 20 996 in Summe von 1156. Derweil ist die Relation offener Stellen zu nicht versorgten Bewerberinnen und Bewerbern nahezu identisch zu 2022. Ende Juli waren bei der Arbeitsagentur noch 22 950 offene Ausbildungsplätze gemeldet. Dem standen 12 909 unversorgte junge Menschen gegenüber. Interessant ist, dass immer mehr Abiturientinnen und Abiturienten eine Ausbildung anstreben. Zwischen 2011 und 2021 ist deren Zahl von 35 auf 47,4 Prozent gestiegen. Auch das ist ein Ergebnis der Forsa-Umfrage im Auftrag der Körber-Stiftung unter Eltern, die das Bildungssystem in der Vertrauenskrise sehen.
Die Forsa-Umfrage ist in vielerlei Hinsicht interessant. Zumal hier das System als verkrustet und dringend reformbedürftig kritisiert wird und eben kein Lehrer-Bashing stattfindet. Die große Mehrheit der befragten Eltern sagten, dass Schule nicht mehr in der Lage sei, Fähigkeiten und Kenntnisse zu vermitteln, die ihr Kind für die berufliche Zukunft benötigt. Ein großer Kritikpunkt ist, dass die so wichtigen Soft-Skills in keiner Weise vermittelt werden, stattdessen an überalterten und überfrachteten Lehrplänen festgehalten wird.

Auch in die Notenvergabe haben Eltern wenig Vertrauen. Drei Viertel der Eltern blicken demnach kritisch bis ablehnend auf das derzeitige Bewertungssystem: 45 Prozent von ihnen fordern dringend eine Reform, vier Prozent sprechen sich sogar für eine Abschaffung der Leistungsbewertung aus, 27 Prozent der Kritikerinnen und Kritiker wollen das System nur mangels Alternativen beibehalten.
„Das Bildungssystem muss dringend reformiert und zukunftssicher aufgestellt werden. Dazu muss die Digitalisierung unter Einbeziehung von KI kreativ genutzt und Talente und Neigungen individuell gestärkt werden. Wir müssen neue Bildungsräume erschließen, Learn Labs etablieren und agile Schulstrukturen schaffen, um kollaboriertes Lernen zu ermöglichen und so Zukunftskompetenzen fördern zu können. Gleichsam müssen die Lehrpläne durchgeflöht werden, um Ballast loszuwerden. Denn das Wissen wächst rasant“, sagt Joachim Maiß, VLWN-Vorsitzender, und betont: „Angesichts der Tatsache, dass die Zahl der Abiturientinnen und Abiturienten, die eine duale Ausbildung anstreben, seit Jahren steigt, muss die berufliche Bildung hier ein erweitertes professionalisiertes Angebot schaffen. Dazu muss sie sich mit Fachhochschulen verzahnen und die Ausbildungsinhalte synchronisieren, so dass am Ende ein Bachelor-of-Arts-Abschluss an der BBS steht. Denn der Bedarf ist da.“

Der Vorteil eines Kooperationsmodells wie das der Wirtschaftsfachschulen und der Fachhochschule des Mittelstands (FHM) oder auch des „Hamburger Modells“ ist, dass Ausbildung und Studium parallel stattfinden und Absolventinnen und Absolventen dem Arbeitsmarkt als Fachkräfte deutlich früher zur Verfügung stehen. Gleichzeitig wird die berufliche Bildung dadurch klar aufgewertet hin zu einer „höheren beruflichen Bildung“ – ein mittlerweile stehender Begriff, der für die Verzahnung der Ausbildungsinhalte von BBS und FH steht und zukunftsweisend ist.

„Pluspunkte, die die berufliche Bildung unbedingt für sich nutzen muss, um langfristig attraktiv zu bleiben. Denn selbst wenn die Ausbildungszahlen leicht steigen, ist eine Professionalisierung der beruflichen Bildung zwingend, um den Bedarfen der Arbeitswelt auch künftig gerecht zu werden. Wenn mittlerweile annähernd jeder zweite Abiturient – aus welchem Grund auch immer – eine duale Ausbildung anstrebt und somit schon in der BBS ist, wäre es gut, ihn zu halten und der reinen Zulieferfunktion zur Hochschule zu entwachsen. Das geht nur, wenn die Berufsbildner als gleichwertige Partner und im Zusammenspiel mit einer FH die höhere Bildung etablieren und damit die Mehrwertalternative zur reinen akademischen Bildung anbieten“, sagt Joachim Maiß.

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