Wer rastet, der rostet – stimmt!

VLWN-Senioren-Seminar: Einfach gesünder in den Ruhestand starten

 

Jeder zweite Deutsche ist mittlerweile übergewichtig. Die Gründe dafür sind hinlänglich bekannt. Zu wenig Bewegung und falsche Ernährung lassen die Pfunde wachsen. Die logische Konsequenz liegt auf der Hand: Mehr bewegen und sich gesünder ernähren. Was so einfach klingt, ist im Alltag für viele eine Herausforderung. Denn der innere Schweinehund ist für wissenschaftlich belegte Argumente nicht empfänglich. Nicht zuletzt, weil das Stück Torte eben doch verlockender ist als der Apfel. Auf Einladung der VLWN-Senioren hat die zertifizierte Ernährungsberaterin und –therapeutin Dr. Andrea Trappe als Referentin der Fortbildung „Einfach gesünder in den Ruhestand starten“ Mitte Januar im Hotel Plaza, Hannover, die Brücke von der Ernährung hin zur Bewegung geschlagen – und hier und da für nachdenkliche Gesichter bei den zwölf Teilnehmenden gesorgt.

Bevor in einem Test das eigene Bewegungs- und Essprofil über eine siebenstufige Selbsteinschätzung bei allen Kolleginnen und Kollegen nicht der Form der Ernährungspyramide der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, sondern eher einem bauchigen Baum mit großer Krone entsprach, erläuterte Dr. Andrea Trappe erst einmal, was sich körperlich mit zunehmendem Alter verändert – und was das für die Ernährung heißt. Und alt beginnt man qua Definition schon mit 55 Lebensjahren zu sein. „Spätestens ab diesem Zeitpunkt sollte man beginnen, bewusster zu leben, um im hohen Alter noch selbstbestimmt den Alltag zu meistern“, sagte Trappe und lieferte Fakten.

Obwohl individuell sehr unterschiedlich ausgeprägt, gilt grundsätzlich: Mit zunehmendem Alter steigt der Vitamin- und Mineralstoffbedarf. Daneben ändert sich das Geschmacks- und Geruchsempfinden. Salz wird ebenso wie Zucker nicht mehr intensiv wahrgenommen, dafür schmeckt vieles bitter. Deshalb übersalzen und überzuckern Ältere häufig, was schwerwiegende Folgen haben kann. Hinzu kommt, dass das Durstempfinden schwindet. Das alles in Kombination mit zunehmender Einnahme von Medikamenten schlägt auf den Magen-Darm-Trakt und verändert dessen Aktivität. Und der Muskel und Knochenabbau schreitet automatisch voran. Bis zum 80. Lebensjahr nimmt die Muskelmasse im Regelfall um 40 Prozent ab. Das führt zu körperlicher Beeinträchtigung. Das Beruhigende: „Durch ein verändertes Essverhalten und gezielte Bewegung kann man hier gegensteuern“, sagte die Expertin aufmunternd.

Der siebenstufige Selbsttest brachte Aufklärung. Sieben einfache Fragen zum täglichen Alltag, sieben ernüchternde Antworten auf dem Blatt Papier der zwölf teilnehmenden Probanden und Probandinnen: Wieviel bewegt man sich? Wie viele kalorienfreie Getränke, wieviel Obst und Gemüse, wieviel kohlenhydrathaltige Lebensmittel, wieviel tierische Produkte, wieviel Fette und Öle und wieviel Süßes, Salziges und Alkoholhaltiges nimmt man zu sich? „70 Prozent der Ü-60-Jährigen sind nicht sehr aktiv, weil sie Angst haben, dass Beschwerden sich verschlimmern, oder sie haben schlicht keine Lust auf Veränderung“, sagt Dr. Trappe, die eine kalorienbewusste, eiweißreiche, fettbewusste, faserreiche, mineralstoff- und vitaminreiche wie abwechslungsreiche Ernährung in vielen kleinen Mahlzeiten über den Tag verteilt empfiehlt.

Heißt: Mehrere Portionen Obst und Gemüse sind ideal. Ein wenig Ballaststoffe sind ebenfalls wichtig. Fisch als Jodlieferant und Fleisch als Eisenlieferant zwei- bis dreimal die Woche a. 100 Gramm und gesunde Fette, wie kaltge-presstes Olivenöl oder Nüsse als Ergänzung. „Genussmittel wie Alkohol oder Schokolade können meiner Meinung nach deutlich teurer werden, dann würde man sie wieder in Maßen genießen und nicht in Massen konsumieren“, sagte Trappe, für die vegane Ernährung schon an Körperverletzung grenzt, weil dem Körper elementare Stoffe vorenthalten bleiben. Obst und Gemüse sollte man im Stück und nicht frisch gepresst zu sich nehmen, weil Kauen entspannt, ein Apfel oder eine Banane gegessen eher sättigt als ein Saft oder ein Smoothie.

Der aus der Nachkriegszeit hinübergeretteten Empfehlung, wie ein Kaiser frühstücken, wie ein König zu Mittag speisen und wie ein Bettelmann zu Abend essen, misst sie wenig bis gar keine Bedeutung zu. „Das Frühstück ist zwar das Sprungbrett in den Tag, damit hat es sich aber auch schon. Denn dem Magen ist es egal, wann er welche Mengen zugeführt bekommt. Natürlich sollte man nicht unbedingt kurz vorm Schlafengehen zwei Teller Pasta-Bolognese essen. Die liegen dann möglicherweise zu schwer im Magen. Und ohnehin empfiehlt es sich, die eine Hälfte der Mahlzeit durch Gemüse oder Obst auf dem Teller zu ersetzen, weil es schlicht gesünder und ausgewogener ist“, sagte Dr. Trappe.

Dabei ist es egal, ob Rohkost oder gekochtes Gemüse. Solange man es nicht kaputt kocht, bleiben die Vitamine erhalten. Ein Tipp von ihr: Erwärmen in der Mikrowelle ist schonender als der Kochtopf. Ansonsten gilt für ein besseres Leben in mehrfacher Hinsicht: Qualität statt Quantität, lokal und saisonal und wer rastet, der rostet. Binsenweisheiten, die mantra-haft wiederholt, dann vielleicht doch zum Umdenken führen. Gerade, wer ein paar Pfunde zu viel auf der Hüfte hat, kann durch die Umstellung der Ernährung langfristig abnehmen.

„Entscheidend dafür ist, dass man weiß, wo es hakt, warum man wann welche Genussmittel zu sich nimmt und welcher psychische Effekt damit verwoben ist. Wenn man sich mit Schokolade belohnt, sollte man nicht gänzlich auf Süßes verzichten, sondern es in den Speiseplan mit einarbeiten. Ansonsten kommt der Heißhunger und macht jeden Erfolg zunichte“, sagte Trappe und betonte: „Da der Mensch allein beim Sprechen bis zu einem halben Liter Flüssigkeit verliert, ebenso beim Schwitzen, sollte man 1,5 bis 2 Liter Wasser oder ungesüßten Tee zum Flüssigkeitsausgleich trinken.“

Zum aktuell als Wundermittel gehypten Vitamin D2, dem alles mögliche Gute nachgesagt wird, sagte Trappe: „Es gibt unterschiedliche Empfehlungen, die von einem Tagesbedarf von 1000 bis 10 000 internationalen Einheiten reichen. Fakt ist, anders als Vitamin B oder C ist es ein fettlösliches Vitamin. Wenn man davon zu viel einnimmt, lagert es sich in der Leber ab und schädigt. Andererseits kann es durchaus Sinn machen, mehr Vitamin D2 selbst im Sommer zu sich zu nehmen, weil die Sonnenstrahlen bei einem aufgebrachten Lichtschutzfaktor von 60 die Haut nicht mehr erreichen. Eine vorgeschaltete Blutuntersuchung beim Arzt sollte auf jeden Fall stattfinden, bevor man Nahrungsergänzungsmittel einwirft.“

Nach der allgemeinen Einführung ins Thema „Einfach gesünder in den Ruhestand starten“ und zwei hoch informativen Stunden rund um die richtige Ernährung, war es Zeit, in Bewegung zu kommen. Und das im doppelten Wortsinn. Dr. Andrea Trappe motivierte alle dazu, ein paar leichte Bewegungsübungen zu absolvieren, die zum Muskelaufbau beitragen, die Balancefähigkeit steigern und die man ganz einfach in den Alltag einbauen kann: Mit den Armen kreisen, Daumen und Zeigefinger öffnen und schließen, an die Wand anlehnen und die Beine abwechselnd schwingen, rückwärts gehen, vorwärts auf einer imaginären Linie balancieren.

„Ein wenig Bewegung jeden Tag ist besser als einmal die Woche richtig Gas zu geben – zumindest im Alter. Damit hält man sich so beweglich, um beispielsweise auch mit 80 Jahren Schraubverschlüsse ohne Hilfsmittel öffnen zu können oder aber sich selbst im Stehen die Strümpfe anziehen zu können. Dabei ist es ganz wichtig, die Hemmschwelle für die Bewegung im Alltag so niedrig wie möglich zu legen. Über eine kleine Treppe sollte man sich freuen, weil das Steigen das tägliche Training bereichert. Entscheidend ist aber auch, dass man die Überlastungssignale erkennt. Viel hilft nicht zwingend viel. Wer plötzlich stark schwitzt oder auffällig blass wird, sollte mit dem Training sofort stoppen“, sagte Dr. Andrea Trappe.

Im Ganzen vier spannende Stunden, die wie im Fluge vergingen, viel Bekanntes wachrüttelnd transportierten und teils nachdenklich stimmten. „Alles in allem dennoch ein Erkenntnisgewinn, um den inneren Schweinehund doch mal in die Knie zu zwingen und den einen oder anderen Apfel zu essen anstatt zu pressen“, sagte Dieter Hartmann, der als Ansprechpartner für Senioren im VLWN die Veranstaltung koordiniert und die Referentin gewonnen hatte. Die Auftaktveranstaltung des Seniorenprogramms 2024 war – auch gemessen an der Teilnehmerzahl – ein Erfolg und einmal mehr der Beweis, dass Verbandsarbeit sehr vielfältig ist.
Mehr Details zu Kalorien und Co unter: www.kalorien-mundgerecht.de und www.fddb.info

 

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